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Fahrgastrechte – Doch nicht so einfach

 

Wer mit der Bahn fährt, kann eine Menge erleben. Auf langen Strecken ist die Bahn auch für viele Journalisten und Marketingverantwortliche das Verkehrsmittel erster Wahl, da man die Reisezeit nutzen und so zusätzliche Arbeitszeit gewinnen kann. Für den Fall größerer Verspätungen sind in den „Fahrgastrechten“ die Rechte und Pflichten der Fahrgäste in Bezug auf Entschädigungen für Verspätungen, den Rücktritt von der Fahrt oder sogar die Nutzung alternativer Verkehrsmittel geregelt. Während die Regeln für Standardfälle klar verständlich sind, gibt es einige Besonderheiten, in denen die niedergeschriebenen Regelungen lückenhaft sind und einer Interpretation bedürfen.  

Fahrgastrechte – Der Standardfall

Wer mit der Bahn innerhalb von Deutschland unterwegs ist, kann ab einer erwarteten Verspätung von 20 Minuten am Zielort auf einen anderen, nicht reservierungspflichtigen Zug umsteigen, um die Auswirkungen der Verspätung zu reduzieren. So ist zum Beispiel der Wechsel vom IC auf den ICE möglich. Nicht möglich ist das bei „stark ermäßigten“ Nahverkehrsfahrkarten. Wer trotzdem mit Verspätung ans Ziel kommt, kann einen Teil des Fahrpreises zurückbekommen. Kommt man mindestens eine Stunde zu spät an, bekommt man 25% des Fahrpreises. Bei mehr als zwei Stunden bekommt man 50% zurück. Ab einer Stunde Verspätung kann man die Fahrt allerdings auch abbrechen oder gar nicht erst antreten und bekommt dann den gesamten Fahrpreis zurück. Das macht zum Beispiel dann Sinn, wenn man ein geplantes Meeting aufgrund der Verspätung nicht mehr erreichen würde und die Fahrt damit ihren Sinn verloren hat.

Fahrgastrechte – Kleine Falle

Eine Überraschung wartet auf Fahrgäste, die für Hin- und Rückfahrt zum Beispiel für die Einlösung von Gutscheinen oder aufgrund abweichender Start- und Zielbahnhöfe separate Fahrkarten gebucht haben. „Hat der Kunde für eine nationale oder internationale Reise mehrere Fahrkarten erhalten, verkörpert jede Fahrkarte einen eigenständigen Beförderungsvertrag“, so eine Sprecherin der Deutsche Bahn AG. Im Klartext heißt dass, dass die Fahrkarte für die Rückfahrt nur nach den allgemeinen Bedingungen der Bahn umgetauscht werden kann. Bei Flexpreis-Tickets ist das vor dem ersten Gültigkeitstag kostenlos. Danach kostet es 19 Euro. Der Umtausch von Sparpreis-Tickets kostet schon vor dem ersten Gültigkeitstag 19 Euro, danach verlieren diese ihren Wert. Die Kosten sind von den Reisenden zu tragen, selbst wenn die Hinfahrt aufgrund einer Verspätung der Bahn abgebrochen werden muss oder nicht angetreten wird. Der Einspareffekt durch getrennte Tickets wird in diesem Fall zu einem Verlustgeschäft. Vermeiden kann man das nur, wenn man Hin- und Rückfahrt auf einem Ticket bucht.

Fahrgastrechte – Auto oder Hotel

Nur bei Reiseverbindungen am späten Abend kann man über eine von der Bahn mitfinanzierte Autofahrt oder eine Hotelübernachtung nachdenken, falls die Verspätung mindestens eine Stunde beträgt. Zudem muss die fahrplanmäßige Ankunftszeit zwischen Mitternacht und 5:00 Uhr am Morgen liegen. Gleiches gilt, wenn es sich bei einer ausfallenden Verbindung um den letzten Zug am Abend handelt und man keine Chance mehr hat mit der Bahn vor Mitternacht ans Ziel zu gelangen. Zunächst ist es dann die Pflicht des Reisenden, zum Beförderer Kontakt aufzunehmen und nach einer Lösung zu fragen. Ansprechpartner sind das Personal im Bahnhof oder im zuletzt genutzten Zug. Nur wenn das nachvollziehbar nicht möglich ist, weil es sich zum Beispiel um einen kleinen Bahnhof ohne Personal handelt, darf der Reisende von sich aus aktiv werden und nach Autoschlüssel oder Hotelzimmer greifen. Für die Erstattung der Kosten für die Alternative gilt eine Beschränkung von maximal 80 Euro. Damit kommt man bei einem Kilometersatz von 30 Cent gerundet 267 km weit – und muss die Rückfahrt selbst bezahlen. Wer diese Grenze durch die Mitnahme anderer Reisender erhöhen und nebenbei die Umwelt entlasten möchte, wird überrascht sein. Die 80 Euro verstehen sich nach Auskunft einer Sprecherin der Deutsche Bahn AG nicht pro Person, sondern pro Ticket. „Wenn es sich um eine Fahrkarte für beide Personen handelt, würde auch nur einmalig 80 Euro ersetzt werden“, so die Bahn. Das gelte selbst dann, wenn die beiden in getrennten Fahrzeugen reisen würden. Auf die Frage, wie in den Regularien der Bahn „eine Fahrkarte“ genau definiert ist, liefert die Sprecherin einen äußerst juristischen Text, der zumindest juristischen Laien unerfreulichen Interpretationsspielraum lässt: „Eine Fahrkarte verkörpert einen Beförderungsvertrag. In Anhang I Artikel 7 „Beförderungsausweise" der Europäischen Fahrgastrechte-Verordnung (VO) EG Nr. 1371/2007 hat der europäische Gesetzgeber definiert, was eine Fahrkarte beinhaltet“, so die Bahnsprecherin. „Ist eine Fahrkarte für mehr als eine Person ausgestellt, so können diese Personen auch nur zusammen reisen. Ein möglicher Anspruch auf Hilfeleistung gemäß den Ausführungen von Nummer 9.1.5 der Beförderungsbedingungen für Personen durch die Unternehmen der Deutschen Bahn AG (BB Personenverkehr) beruht auf dem für die Beförderung zu Grunde liegenden Beförderungsvertrag, welcher durch die Fahrkarte verkörpert wird.“

Fahrgastrechte – Veranstalterangebote

Besonderheiten gelten auch, wenn man über einen Veranstalter wie L´TUR eine Bahnfahrt in Verbindung mit einer Hotelübernachtung bucht. Platzt die Reise, weil der dafür vorgesehene Zug sich stark verspätet, überweist das Servicecenter Fahrgastrechte für Hin- und Rückfahrt und Hotel nur pauschal zehn Euro. Für alle weiteren Fragen ist der jeweilige Reiseveranstalter zuständig. Und der lässt sich manchmal Zeit. Unsere Anfrage an den L´TUR-Kundenservice blieb trotz mehrere Erinnerungen seit acht Wochen unbeantwortet. Sogar auf die Frage nach einer für das Reiseangebot möglicherweise zuständigen Schlichtungsstelle verweigerten die L´TUR-Mitarbeiter bisher jede Auskunft.

Fahrgastrechte – Die Formalitäten

Wer im Falle eines Falles keine bösen Überraschungen erleben möchte, sollte sich zunächst das Kleingedruckte bewusst machen und es bei der Buchung der eigenen Reise berücksichtigen. Das schafft die richtigen Voraussetzungen, um im Verspätungsfall alles richtig zu machen, die Auswirkungen von Verspätungen möglichst zu minimieren und wenn nicht zu vermeiden die vorgesehene Entschädigung zu erhalten. Das Fahrgastrechteformular ist dabei nicht zwingend vorgeschrieben. Wer häufig reist, kann auch eine digitale Version verwenden, in der die Personendaten bereits eingetragen sind. Möglich ist es auch, den Anspruch formlos geltend zu machen – verbunden mit dem Risiko, dass man für die Bearbeitung nötige Angaben vergisst und Rückfragen beantworten muss. Hilft gar nichts mehr, kann man das Anliegen der Schlichtungsstelle söp vortragen. Diese ist nicht nur für den Flugverkehr, sondern auch für Bahnreisende zuständig und trifft in der Regel in überschaubarer Zeit eine Entscheidung.

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