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Bahn Backstage: Schienenverkehr mal anders

Ein Arbeitswagen von oben
Ein Arbeitswagen von oben

An machen Tagen macht Bahn fahren keinen Spaß, denn dann verkündet eine Stimme aus dem Lautsprecher, dass der Zug Verspätung hat. Oberleitungsschäden. Ein Raunen geht durch die wartende Menge, Unruhe macht sich breit. Was ist da los? Ihr Körper läuft auf Hochspannung, doch mit Sicherheit nicht mit der von 15.000 Volt, die in der Oberleitung stecken und die Züge bewegen. Oder eben nicht. Denn vor wenigen Minuten stürzte ein morscher Baum auf eine Oberleitung und verursachte einen Kurzschluss. Was nun? Wer kümmert sich um das Problem und warum fahren die Züge nicht mehr? Zur Klärung dieser und weiterer Fragen lud die Deutsche Bahn AG ein. Journalisten aus den unterschiedlichen Medienbereichen bekamen in Hannover und dem Nachbarort Lehrte Einblick in die Tätigkeit der DB Energie und der DB Netz AG und konnten den Weg des 16,7 Hertz-Bahnstroms begleiten.

Der Hintergrund

Ein Mast am Gleisrand
Ein Mast am Gleisrand
Experten erklärten den Journalisten, dass Umformerwerke die Aufgabe haben, aus dem 50 Hertz-Netz der öffentlichen Energieversorgungsunternehmen elektrische Leistung zu entnehmen und in die Energie mit der Bahnfrequenz von 16,7 Hz umzuformen. Ein eigenes 110.000 Volt-Hochspannungsnetz (110 kV) versorgt die bundesweit an den Eisenbahnstrecken verteilten Unterwerke, die die 110 kV in die für die Oberleitung erforderlichen 15 000 (15 kV) umspannen. Die hohe Spannung verringert dabei die mit der Übertragung einhergehenden Verluste. Auf knapp 20.000 km des Streckennetzes der Bahn fahren elektrische Triebfahrzeuge. Mittels Stromabnehmer beziehen sie den Bahnstrom aus der über der Schiene verlaufenden Oberleitung. Die DB Energie GmbH stellt sicher, dass die Energie ankommt. Als größtes Energieversorgungsunternehmen in Deutschland verfügt DB Energie über einzigartiges Know-how und Infrastruktur zur Stromversorgung von mobilen und stationären Verbrauchern. Außerdem werden ihre Leistungen auch externen Kunden aus Industrie, Handel und Gewerbe angeboten. Denn ohne den „besonderen Saft“ geht gar nichts.

Journalisten vor Ort

Die Bahn kommt - dank Strom
Die Bahn kommt - dank Strom
Die Reporter-Gruppe begleitete Günter Steuber, Bezirksleiter Elektrotechnik der DB Netz AG. Mit einem gelben Turmtriebwagen, einem Instandhaltungsfahrzeug für Oberleitungsanlagen, fuhr man zu einem Streckenstück in Lehrte. Bereits auf der Fahrt stellten die Journalisten interessante Fragen zur Arbeit und interviewten Joachim Kutzner. Der Bühnenbediener und Oberleitungsmonteur hat Starkstromelektriker gelernt und übt einen Beruf in luftiger Höhe aus. Mit der Bühne, die an diesem Tag als Freiluftfahrstuhl für Journalisten und insbesondere Fotografen galt, erreicht man die Masten von 18 Metern Höhe. Mit seinen vier Kollegen behebt Joachim Kutzner Schäden an der Oberleitung oder den Masten, um den reibungslosen Fahrbetrieb der Deutschen Bahn zu sichern. Denn das Tragseil, das die Kräfte aufnimmt, und die Oberleitung, die unter Hochspannung steht, sind aus Kupfer, einem wärmeempfindlichen Metall. Nach zwei Millionen Zügen auf der Strecke, also nach etwa 25 Jahren geht von der Leitung 20 % verloren. Um mit den Instandhaltungsarbeiten zu beginnen, muss das Streckenstück immer isoliert werden und beim Arbeiten ein Schutzabstand von 1,50 Metern zum nächsten unisolierten Teil gewahrt werden. Streckentrenner ermöglichen, dass lediglich auf diesem Teilstück kein Strom fließt. Bei einem Schaltgespräch nennt der verantwortliche Einsatzleiter die Schaltdienstnummer. Ein Schaltdienstleiter nimmt den Anruf entgegen. Er sitzt in der Schaltzentralstelle, kurz ZES, überwacht an Modulwänden und Monitorarbeitsplätzen die Strecke und nimmt Schalthandlungen vor. Die Oberleitung wird abgeschaltet und geerdet. An diesem Tag hieß es: Mutige vor! Es bestand die einmalige Möglichkeit die Oberleitung anzufassen.

Journalisten Backstage

Anschließend wurde die „spannende“ ReporTage in der zentralen Netzführungsstelle in Lehrte fortgeführt. Bei einem Rundgang durch die zentrale Einschaltstelle einschließlich der Außenanlagen gab es jederzeit Möglichkeit zu einem Interview. Während eines Vortrages warf ein Journalist ein, dass DB Energie ein „kurzschlussfreudiges Unternehmen“ sei. Deshalb wird der Strom regelrecht verfolgt. Zur Überwachung, zum Beispiel von ganz Norddeutschland (Niedersachsen, Bremen), ist in Lehrte die Hauptschaltleitung. Lehrte ist außerdem die Ersatzhauptschaltleitung für die Hauptzentrale der DB Energie in Frankfurt, die überwacht und den gesamten Netzbetrieb steuert. Beispielsweise meistert sie innerhalb weniger Sekunden Bedarfsschwankungen, die dem gleichzeitigen Einschalten von 2 Millionen TV-Geräten entsprechen (300 Megawatt). An beiden Standorten wird mit derselben Datenbank gearbeitet. Am Tag geht eine Flut von Meldungen ein, etwa vergleichbar mit einer Nachrichtenagentur. In der Schaltbefehlsstelle (SBS) und in der Schaltzentralstelle ZES wird an Modulwänden und Monitorarbeitsplätzen überwacht. Schon ein Vogel oder Drachen kann einen kleinen Kurzschluss auslösen, wenn er gegen einen Isolator fliegt. Das Problem löst sich meist innerhalb von 10 Sekunden von selbst. Je nach Wetterlage und Jahreszeit gibt es Kurzschlüsse solcher Art bis zu 80-mal am Tag und haben keine Auswirkungen auf den Bahnverkehr. Bei einem Dauerkurzschluss allerdings ertönt ein Gong und Handeln ist gefragt. Die Energieversorgung der Züge ist nicht gewährleistet. Der Fehler muss gefunden werden. Man betrachtet dabei ein Stück von bis zu 40 Kilometern. Da am Kurzschlussort die größte Energie gebraucht wird, ist bald die Fehlerstelle ausgemacht. Anschließend werden die Herren mit den gelben Wagen rausgeschickt. Doch bis das Problem behoben ist, dauert es seine Zeit und Zugverspätungen sind die Folge, wie an jenem Morgen geschildert. Doch nun haben diese Reporter Verständnis und wissen beim nächsten Mal, wie viele Menschen „unter Hochspannung stehen“, wenn ein Dauerkurzschluss passiert.

Weitere Informationen
Deutsche Bahn AG
www.bahn.de

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