Kann man dem Google Bewertungssystem trauen?
Eigentlich ist es mit Kundenbewertungen im Internet ganz einfach. Wer mag, und das sind in der Regel besonders begeisterte oder besonders unzufriedene Kunden, kann eine Bewertung hinterlassen und über seine Erfahrung mit dem jeweiligen Unternehmen berichten. Potenzielle Kunden können sich die Bewertungen anschauen, die für sich selbst relevanten herausfiltern und sich anschließend für oder gegen eine Geschäftsbeziehung mit dem bewerteten Unternehmen entscheiden. Doch das Bewertungssystem hat mindestens zwei Probleme: böswillige falsche Bewertungen, die zum Beispiel Konkurrenten gerne veröffentlicht sehen möchten und der Versuch von Unternehmen statt an ihren Defiziten zu arbeiten, missliebige Meinungen - teils mit Hilfe von spezialisierten Dienstleistern und Rechtsanwälten zu unterdrücken, um auf diese Weise besser dazustehen.
Enttäuscht von der möbelando GmbH
Ein neuer Schank für das Badezimmer sollte es sein. Nach entsprechender Recherche im Internet fiel die Wahl auf ein Produkt aus dem Angebot der möbelando GmbH aus Elsenfeld. Umso größer war die Freude, dass in der Suchmaschine Bing an prominenter Stelle eine Werbung „10€ Rabatt-Coupon Möbelando“ geschaltet war – direkt verlinkt auf die Internetseite des Anbieters. Doch dort die erste Enttäuschung. Von einem Rabattcoupon war anders als in der Werbung versprochen keine Rede mehr. Eine E-Mail an den Kundenservice ergab: „Hierbei handelt es sich leider um eine abgelaufene Aktion, weshalb der Gutschein nicht mehr verfügbar ist und der Link auf eine 404 Fehlermeldung weiterleitet. Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten“, so eine Mitarbeiterin aus dem möbelando-Team. Warum für eine abgelaufene Aktion geworben wird überrascht. Dass das einzige Entgegenkommen für auf diese Weise überraschte Kunden eine verbale Entschuldigung ist, mag man als Enttäuschung Nummer 2 zählen.
Auch die Ware überrascht
Schon beim Öffnen des Pakets der per Vorkasse bezahlten Ware, wartete in unserem Fall die nächste Überraschung. Jemand beim Hersteller des Schrankes hatte einen Beutel mit Schrauben und anderen Kleinteilen mit Montageschaum so an der Rückwand des Schrankes befestigt, dass man diese beim Entfernen des Beutels beschädigt. Der Kundenservice reagiert professionell und sendet über den Hersteller eine neue Rückwand. Die Entsorgung der beschädigten Wand soll der Kunde übernehmen, dessen Aufgabe das bestimmt nicht ist. Dass sich beim weiteren Aufbau an mehreren weiteren Stellen Mängel zeigen und Möbelando nur zur Nachlieferung von nach erfolgter Montage kaum noch sinnvoll nutzbarer Ersatzteile oder zu einem überschaubaren Entgegenkommen beim Preis bereit ist, rundet die Erfahrung mit der möbelando GmbH ab.
Die Rezension bei Google
Die gesammelten Erfahrungen flossen in eine Rezension bei Google ein: „In einer Suchmaschine wurde eine Rabattaktion beworben, die ich auf der Seite nicht finden konnte. Eine Mitarbeiterin schrieb mir freundlich: "Hierbei handelt es sich leider um eine abgelaufene Aktion, weshalb der Gutschein nicht mehr verfügbar ist und der Link auf eine 404 Fehlermeldung weiterleitet. Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten." Trotzdem schade um meine Zeit... Die Ware, die ich bestellt habe, hatte leider mehrere Mängel. Der Kundenservice antwortet schnell, ist aber für meinen Geschmack nicht so kundenfreundlich wie nötig...“
Wer lässt die Rezension verschwinden?
Am 18.12.2024 erreichte den Verfasser der Rezension eine E-Mail von Google: „Google hat eine Beschwerde über die nachfolgende(n) URL(s) aus den folgenden rechtlichen Gründen erhalten: Verleumdung Nach einer Überprüfung informieren wir Sie hiermit darüber, dass wir folgende Entscheidungen getroffen haben: Betroffene Inhalte: Beitrag Rechtsprechung: Deutschland Verstößt anscheinend gegen: Verleumdung Folge: Zugriffsbeschränkung“ Der in dieser E-Mail genannte Vorwurf der Verleumdung ist beachtlich. Verleumdung ist nach §187 des Strafgesetzbuches eine Straftat, die unter gewissen Voraussetzungen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft wird. Im StGb steht auch die Definition des Vorwurfs: „Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird […] bestraft.“ Nicht geschrieben hat Google, wer den Vorwurf dieser Straftat mit Blick auf die kritische, aber definitiv nicht unwahre Rezension aufgestellt hat. Auch ist nicht ausgeführt, was an der mit Screenshots und Fotos belegten Rezension unwahr sein könnte.
Wir haben Google gefragt
Um Licht in die Dunkelheit zu bringen, haben wir der Google-Pressestelle für diesen Artikel sechs Fragen gestellt:
a) Wer stellt den Vorwurf der Straftat Verleumdung im konkreten Fall in den Raum? Das Unternehmen Möbelando? Ein von diesem beauftragter Dritter? Das Unternehmen Google?
b) Auf welcher Basis hat Google eine Zugriffsbeschränkung vorgenommen? Wer bei Ihnen hat warum entschieden, die Rezension offline zu nehmen?
c) Welche Revisionsmöglichkeiten bieten Sie, damit nicht jede schlechte Bewertung durch abstruse Behauptungen des Bewerteten entfernt und das komplette Bewertungssystem seinen Wert verliert?
d) Wie viele Rezensionen wurden im Jahr 2024 insgesamt veröffentlicht? Wie viele davon enthielten neben der Sternebewertung auch Text?
e) Über wie viele Rezensionen erhielten Sie „Beschwerden“? Wie viele der Beschwerden führten zu Zugriffsbeschränkungen? Wie viele wurden von Google zurückgewiesen?
f) Was unternimmt das Unternehmen Google, um den Wert des Bewertungssystems zu erhalten und Zensurversuche zu verhindern?
Die Google-Pressestelle antwortet
Die Antwort fällt dürftig aus. Ein Mitarbeiter der von Google beauftragten Agentur, meldet sich zunächst mit der Nachricht, man habe die Anfrage an Google weitergeleitet. Rund vier Stunden später schreibt er dann: „Bitte beachten Sie, dass Google sich nicht zu Einzelfällen äußern kann. Als Hintergrundinformationen kann ich Ihnen aber Folgendes mitgeben: Unser Ziel ist es, Menschen dabei zu unterstützen, mit lokalen Unternehmen auf Google in Kontakt zu treten und wir investieren erheblich in die Bereitstellung zuverlässiger Informationen. Unsere Nutzerrichtlinien besagen transparent, dass Bewertungen auf echten Erfahrungen und Informationen basieren müssen. Wir versichern, dass Unternehmen eine Bewertung nicht aus ihrem Geschäftsprofil entfernen können, nur weil sie negativ ist. Wenn eine Bewertung jedoch gegen die Google-Bewertungsrichtlinien verstößt, können Unternehmen sie zur Überprüfung einreichen. Unser Team aus menschlichen Mitarbeitern arbeitet rund um die Uhr, um die gemeldeten Inhalte zu überprüfen. Wenn wir Bewertungen finden, die gegen unsere Richtlinien verstoßen, entfernen wir sie aus Google.“
Das Resümee
Dass die Bewertung nachweislich auf echten Erfahrungen und Informationen beruht, sollte Google schon an den hochgeladenen Screenshots erkennen können. Was an der oben zitierten Bewertung gegen die Google-Bewertungsrichtlinien verstoßen könnte, ist auch bei mehrfacher Durchsicht der Richtlinien für uns nicht erkennbar. Natürlich ist Google als Unternehmen nicht verpflichtet, Fragen von Journalisten zu beantworten. Ein Unternehmen, das sich selbst die Bereitstellung zuverlässiger Informationen auf die Fahnen geschrieben hat und in dessen „Google Code of Conduct“ (Stand vom 17. Januar 2024) es als Schlusssatz heißt: „And remember... don’t be evil, and if you see something that you think isn’t right – speak up!“ könnte allerdings deutlich mehr Verantwortung dafür übernehmen seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.
Um den Vorwurf der Verleumdung und seinen Urheber klären zu lassen, haben wir zwischenzeitlich Strafantrag bei der Polizei gegen Unbekannt gestellt. Man darf gespannt sein, ob es der Polizei gelingt die Person zu identifizieren, die diesen Vorwurf in den Raum gestellt hat.